Eine Meile für den Frieden – Artikel in der Taunuszeitung vom 31.08.2020
Eine Meile für den Frieden
Mit Plakaten, Gedichten und Installationen für Abrüstung und gegen Krieg und Gewalt
Artikel von Gabriele Calvo Henning in der Taunuszeitung vom 31.08.2020, Seite 11.
Fotos: Jens Priedemuth
Der zweiten Auflage des Oberurseler Friedensfestes, das im vergangenen Jahr zum Abschluss des Orscheler Sommers mit vielen Gästen Premiere feierte, hat Corona zwar einen Strich durch die Rechnung gemacht; deshalb die Hände in den Schoß zu legen, kam für das Oberurseler Friedensbündnis aber auf keinen Fall in Frage.
Und so bauten am frühen Freitagabend Friedensaktivisten die “Oberurseler Friedensmeile” vor dem Kriegerdenkmal an der Adenauerallee auf. Für das Bündnis, in dem sich Frauen und Männer von der hiesigen SPD, der Linken, den Grünen, Attac und dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) engagieren, steht fest: Für Frieden und Abrüstung und gegen Aufrüstung und Krieg Stellung zu beziehen, hat auch in diesen Zeiten nichts an Aktualität verloren.
Robert Kommraus, Mitinitiator des Bündnisses, sieht eine direkte Verbindung zur Pandemie beziehungsweise zu deren Bekämpfung: “Billionen von Dollar werden für die Rüstung ausgegeben. Die sind weg für die Gesundheitsvorsorge.” Auch den Bogen zum Klimaschutz schlägt er: “Ein Bruchteil der Rüstungsgelder würde reichen, um den Klimawandel in den Griff zu bekommen.” Auf einem der rund zehn Plakatständer ist dann auch “Krieg ist der größte Klimakiller” zu lesen.
Die Aktivisten belassen es nicht bei griffigen Sprüchen. Sie setzen auf Information, haben Fakten rund ums Thema zusammengetragen, wie die Zahlen, die das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri veröffentlicht hat. Demnach wurden 2018 weltweit 1 822 Milliarden US-Dollar für die Rüstung ausgegeben. Allein in Deutschland waren es umgerechnet auf die Bevölkerung 544 Euro pro Kopf.
Bei seiner Aktion setzt das Bündnis neben Information auch auf Interaktion. Mitten in der Auflistung der bisherigen Friedensnobelpreisträger ist ein sonnenförmiger Spiegel angebracht.
Die Botschaft ist klar: Wer hier reinguckt, darf sich fragen, was ganz persönlich für den Frieden getan werden kann.
Auf die Idee mit dem Spiegel ist Clemens Metzdorf gekommen, genauso wie auf die Singecke, an dem einen Ende der Plakatreihe. An neongelben Schnüren – mit 1,50 Meter im Corona konformen Abstandsmaß – hängen an Holzlatten laminiert die Texte der bekannten Friedenslieder “We shall overcome” von Joan Baez und “Imagine” von John Lennon.
Appell ans Stadtparlament
Metzdorf betont den Friedensaspekt der Aktion. Zugleich verweist er auf die Gefahren, die ganz konkret auch für die Menschen hierzulande von der atomaren Rüstung, die wieder an Fahrt aufgenommen habe, ausgeht. “In Büchel in der Eifel sind immer noch US-amerikanische Atomwaffen stationiert. Wenn es mal einen Angriff gibt, dann strahlen wir auch hier” – und sicherlich nicht vor lauter Freude.
Umso wichtiger sei es, dass auch das Oberurseler Stadtparlament den ICAN-Städteappell beschließt, mit dem die Bundesregierung aufgefordert werden soll, die UN-Resolution zur Abschaffung der Atomwaffen zu unterzeichnen. Eine entsprechende Aufforderung an die Stadtverordneten ist auf einem der Plakate nachzulesen.
Auch die große Zeder ist Teil der Friedensmeile und wird mit Lyrik von André Heller, Erich Fried und Berta von Suttner zum “Baum der Gedichte”. Während an einer quer gespannten langen Leine in bunten Buchstaben der Schriftzug “Oberurseler Friedensmeile” flattert, erklärt die Vorsitzende der Oberurseler SPD und Bürgermeisterkandidatin Antje Runge, dass für sie Frieden viel mit sozialer und wirtschaftlicher Gerechtigkeit zu tun habe. Verteilungskämpfe um Ressourcen wie etwa Wasser oder Energiequellen seien eine direkte Bedrohung des Friedens.
Die Friedensmeile soll einladen zum Nachlesen, Nachdenken und ins Gespräch kommen. Und sie soll berühren. Eine graue Treppe, auf der ein menschlicher Schatten zu erkennen ist, steht dort und erinnert an den Abwurf einer US-amerikanischen Atombombe 1945 auf Hiroshima, der 100 000 Menschen sofort tötete und tausende weitere an den Folgen der Verstrahlung sterben ließ. Daneben eine lange Liste von Kriegen und Konflikten der beiden vergangenen Jahre. Es sind viele.
Um so wichtiger ist es für Erich Ruhl-Bady, der ebenfalls beim Aufbau mitanpackt, “dass man Farbe bekennt”. Der Journalist, Lyriker und ehemalige Pressesprecher hat sich schon als Jugendlicher beim DGB engagiert und war in den 1980er Jahren auf den großen Friedensdemonstrationen im Bonner Hofgarten dabei. Was die Oberurseler Meile betreffe, habe er die Hoffnung, dass “sich viele Leute das angucken und partizipieren.”
Die Friedensmeile des Friedensbündnisses ist noch bis zum 14. September vor dem Kriegerdenkmal an der Adenauerallee zu sehen.